Kennst du Margot Friedländer?

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Verfolgt, gefasst, überlebt – was wie die Kurzfassung eines Thrillers klingt, beschreibt eine Zeit im Leben der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer ziemlich gut. Als junge Erwachsene musste sie aus ihrer Geburtsstadt Berlin fliehen, wurde in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wanderte nach ihrer Befreiung nach Amerika aus – und kehrte nach etwa 60 Jahren zurück.

Bildquelle: Scott-Hendryk Dillan (Diskussion) – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Link
Das Leben von Margot Friedländer beginnt in Berlin. Dort wurde sie am 5. November 1921 geboren. Ja, ihr habt richtig gelesen, sie feierte vor kurzem ihren 103. Geburtstag.
Nachdem ihre Eltern sich 1937 scheiden ließen, zog Margot mit ihrer Mutter und ihrem vier Jahre jüngeren Bruder Ralph um. Der Vater ging ins Ausland. Margot sah ihn von da an immer seltener. In dieser Zeit wuchs ihr Interesse an Mode, weshalb sie nach dem Schulabschluss eine Schneiderlehre begann.

Die Nationalsozialisten, die Juden verabscheuten und auslöschen wollten, waren da schon an der Macht, doch die Jüdin Margot fand, sie führte ein relativ normales Leben. Das änderte sich schlagartig nach der Reichsprogromnacht 1938. Von diesem Zeitpunkt an wurden Jüdinnen und Juden noch mehr öffentlich ausgegrenzt, enteignet und verschleppt.

Auch Margot bekam das zu spüren. Schließlich musste sie sogar ihre Lehre abbrechen. Die einzige Lösung, um diesem Land voller Antisemitismus und Hass zu entfliehen, war Flucht.

Margot und Ralph versuchen, zusammen mit ihrer Mutter, mehrmals zu fliehen: In die USA, nach Brasilien oder Shanghai – nichts klappte. So lebten sie weiter voller Angst ebenfalls verhaftet und verschleppt zu werden. Derweil hatte Margot eine Arbeit gefunden, die ihr Spaß machte: Sie engagierte sich beim Jüdischen Kulturbund in Berlin. Doch ab dem Jahr 1941 musste sie Zwangsarbeit leisten und ihre vorherige Arbeitsstelle aufgeben.
Dann 1942/43 kam die Chance, auf die die Familie gewartet hatte, nach Oberschlesien (heute ein Teil von Polen) auszuwandern. Am 20.Januar 1943 sollte es soweit sein, und genau an diesem Tag passierte das, was die drei immer gefürchtet hatten.
Ralph, Margots 17-jähriger Bruder wurde von der Gestapo verhaftet. Ihre Mutter folgte ihrem Sohn in die Gefangenschaft und Ungewissheit. Als Margot nach Hause kam, erfuhr sie die schreckliche Nachricht zunächst von ihren Nachbarn. Ihre Mutter hinterließ ihr drei Dinge, ein Adressbuch, eine Bernsteinkette und einen Rat: „Versuch dein Leben zu machen.“
Was sie da noch nicht wusste, sie würde ihre Familie nie wieder sehen, ihr Bruder und ihre Mutter wurden im KZ Auschwitz ermordet, wo 1942 bereits ihr Vater umgekommen war.
Und Margot tat genau das, was ihre Mutter ihr aufgetragen hatte. Sie ging in den Untergrund, färbte ihr Haare, lebte bei verschiedensten Menschen, mit verschiedensten Absichten – und überlebte. So schlug sie sich etwas mehr als ein ganzes Jahr durch.
Aber schließlich wurde auch Margot bei einer Straßenkontrolle gefasst. Sie wurde in das KZ Theresienstadt deportiert. Dort traf sie überraschenderweise auf einen alten Bekannten: Adolph Friedländer, der ebenfalls beim deutschen Kulturbund gearbeitet hatte.
Nach der Befreiung 1945 heirateten die beiden noch in Theresienstadt, bevor sie 1946 nach New York auswanderten. Sie lebten dort glücklich, bis Adolph 1997 starb. Margot besuchte nach seinem Tod einen Schreibkurs, in Zuge dessen sie anfing, sich erneut mit ihrer Vergangenheit zu befassen und sie aufzuschreiben.
Im Jahr 2003 folgte sie einer Einladung des Berliner Senats für „verfolgte und emigrierte Bürger“ und kehrte zum ersten Mahl nach Jahrzehnten nach Deutschland zurück. Fünf Jahre später erschien Friedländers Autobiographie und mit 88 Jahren zog sie endgültig nach Berlin zurück. Von dort an besuchte sie Schulen und andere Einrichtungen, um mit Jugendlichen zu sprechen, ihnen von den Schrecken zu erzählen und um gegen das Vergessen zu kämpfen. Deshalb war sie zurückgekommen. Sie selbst sagt darüber:
 
„Ich bin gekommen um euch die Hand zu reichen. Ich tue es für euch.
Seid Menschen.“
 
2023 wurde die Margot-Friedländer Stiftung ins Leben gerufen, die in diesem Jahr erstmals den Margot Friedländer Preis an Menschen verleiht, die sich mit ihrem Handeln für Toleranz und Menschenwerte einsetzen.
Margot Friedländer erhielt zahlreiche Auszeichnungen, wie 2011 das Bundesverdienstkreuz am Bande, 2024 den Bambi in der Kategorie „Mut“ und die Ehrenbürgerschaft der Stadt Berlin.
 
Margot Friedländer kämpft auch im Alter von 103 Jahren täglich gegen Antisemitismus und Hass und um an das Gute in Menschen zu appellieren.
 
„Es gibt kein christliches, kein jüdisches, kein muslimisches Blut. Es gibt nur menschliches Blut.“ – Margot Friedländer
 
 

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