Aktuell gibt es eine Petition mit über 55.000 Unterschriften für die Abschaffung von Exen, wie stehen Sie dazu?
Ich bin ausgesprochen dagegen. Ich denke, dass unsere Gesellschaft eine Leistungsgesellschaft ist und das der Glaube daran, dass eine Gesellschaft ohne Leistung funktioniert, ein Irrglaube ist. Wohlstand kommt von Leistung und ich halte nichts davon, diese Kriterien der Leistung aufzuweichen. Deshalb halte ich es für wichtig und für richtig, dass es eben auch unangekündigte Leistungsnachweise gibt und bin fest davon überzeugt, dass man daran auch festhalten soll.
Was sagen Sie zu dem Argument, dass sich unangekündigte Leistungsnachweise negativ auf die mentale Gesundheit von SuS auswirken, da sie mehr Stress hervorrufen?
Das würde bedeuten, wenn ich in die Vergangenheit schaue, dass es jahrzehntelang bei vielen Schülern starke psychische Probleme gegeben hätte. Dies ist mir so nicht bekannt.
Denken Sie, dass Exen etc. nachhaltiges Lernen fördern oder dem eher schaden?
Sie animieren zumindest, dass Schüler fortwährend am Ball bleiben. Im Übrigen sehe ich diese Diskussion eher als eine zeitgeistige Debatte an.
Vielen Dank für das Gespräch!
Wie bereits erwähnt ist die Belastung, die von unangekündigten Leistungsnachweisen ausgeht, ein großes Argument der Exen-Gegner. Die Noten, die man erhält, seien nicht nur ein Feedback sondern auch mit Druck verbunden, was angstfreies Üben und Wiederholen nicht möglich macht. Zudem sei ein persönliches Feedback, mit einem Auseinandersetzten der Fehler, bei vielen Schülern nicht umsetzbar. Die ständige Möglichkeit, getestet zu werden können, führe zu „Bulimielernen“.
„Alle Materialien vom Tisch – wir schreiben eine Ex.“ So einen Satz hören wir Schülerinnen und Schüler mehrmals im Jahr. Zusammen mit Abfragen passiert es oft, dass unsere Leistung ohne Vorwarnung geprüft wird, was gerade in den Schulaufgabenphasen zu enormen Stress und Zeitdruck führen kann. Dennoch hält Bayerns Bildungssystem an unangekündigten Leistungsnachweisen fest.
Was sind also Argumente dafür? Was bedeutet die Kritik daran? Und warum ist dieses Thema gerade jetzt wieder so aktuell?
Vor etwa 9 Monaten rief eine 17-jährige Schülerin aus München eine Petition ins Leben: gegen Exen, Abfragen, Stress und für Alternativen. Bis zur Übergabe im Landtag Anfang April, sammelte die Petition über 55.000 Unterschriften. Sie entfachte somit ein neue Diskussion über ein altes Thema. Die Kultusministerin Anna Stolz (FW) zeigte sich zu Beginn des Schuljahres offen für eine Reform der Prüfungen, was der Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mit einem klaren „Nein“ sofort ausbremste. Weshalb hat er das getan?
Der bayerische Philologenverband (er vertritt Lehrkräfte an Gymnasien und bayerischen Oberschulen), sowie der Erziehungswissenschaftler Klaus Zierer haben sich dazu klar geäußert:
Zunächst einmal seien Exen eine gute Möglichkeit sowohl Schülern, als auch Lehrern Feedback zur entsprechenden Leistung zu geben. Außerdem würden unangekündigte Tests das Lernen unterstützen, da wiederholtes Abfragen, Inhalte festigt. Ohne solche Gründe den Lernstoff weiter zu üben, würden Schüler außerhalb der „Schulaufgabenphasen“ ihre Aufmerksamkeitsspanne reduzieren und somit weniger des Stoffes aufnehmen. Ein weiteres Argument, welches beispielsweise auch die CSU nennt, ist, dass Exen auf das spätere Leben vorbereiten. Einerseits helfen sie auch im Berufsleben, um unvorbereitet Leistung und Erfolge erzielen zu können und andererseits werden Schülerinnen und Schüler auf Druck und Stress im Berufsalltag vorbereitet.
Aber wirkt sich dieser Stress nicht negativ auf die mentale Gesundheit von Schülern aus? U.a. dazu habe ich Herrn Steber ein paar Fragen gestellt, um so noch einen besseren Einblick in die Perspektive der Exen-Befürworter zu erhalten.
Was bedeutet das?
Der Begriff kommt von der Essstörung Bulimie und bedeutet in diesem Fall, dass man sehr viel Wissen in kurzer Zeit lernt, was dazu führt, dass es nicht langfristig abgespeichert werden kann. Man hat die Inhalte also meist nicht verstanden und kann sie daher auch nicht anwenden. Da man beim Bulimielernen wenig Zeit für viel Stoff hat, kann das auch in mentalen Problemen und Schlafstörungen enden.
Durch die bereits zuvor erwähnten Wiederholungen durch Tests soll Bulimielernen gerade verhindert werden, betonen die Exen-Befürworter.
Wie ihr seht, gibt es zu diesem Thema viele verschiedene Meinungen. Also starteten Prof. em. Dr. Ludwig Haag von der Universität Bayreuth und Prof. Dr. Thomas Götz von der Uni Wien 2022 ein Experiment.
In ihrer Studie prüften sie bei 414 Schülerinnen und Schülern aus 19 Lerngruppen an einem Hamburger Gymnasium deren Verhalten und Leistung. Im 1. Halbjahr gab es in den Fächern Wirtschaft, Geografie und Politik, sowie Gesellschaft und Wirtschaft unangekündigte Leistungsnachweise. Dazu füllten die Teilnehmer Fragebögen über ihre Emotionen darüber aus.
Im 2. Halbjahr wurde das Ganze mit angekündigten Leistungsnachweisen wiederholt.
Abschließend lässt sich sagen, dass bei angekündigten Tests mehr Freude und weniger Angst herrschte. Dieses positive Gefühl wirkte sich in jedem Fall auf eine bessere Leistung aus, während Angst meist negative Auswirkungen auf die Leistungen hatte.
Heißt das nun, dass Exen definitiv schlecht sind?
Nun, der BPV kritisierte an der Studie mehrere Dinge. Die Masse der Schüler sei zu gering, die Tests waren lehrerabhängig, Schüler seien im 2. Halbjahr meistens besser und Hamburg sei nicht mit dauerhaften Exen vertraut, da das dort nicht praktiziert wird.
Es liegt nun an jedem selbst, sich eine Meinung zu diesem Thema zu bilden. Aber vielleicht kann uns diese Diskussion zeigen, dass es Zeit ist, in Bayerns Bildungssystem auch neue Wege einzuschlagen.
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