Wenn Marie Curie Schülerin am Apian wär‘ …

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von Yasmine Souliman und Clara von Reinersdorff

An solchen Tagen frage ich mich, wozu wir überhaupt Lehrer brauchen. Marie stellt hochwissenschaftliche Fragen und beantwortet sie, wenn der Lehrer mal wieder und wie immer keine Ahnung hat, selbst. Um ehrlich zu sein, sie übernimmt fast den ganzen Unterricht. Die Frage nach der Mitarbeitsnote erübrigt sich eigentlich. In anderen Fächern, wie Mathe ist sie zwar gut und beantwortet alle Fragen, aber in Physik… Das ist einfach ihr Lieblingsfach, was soll man machen. Ich

selbst bin in Kunst ja auch fast Klassenbeste, weil ich es mag. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich nur die Lehrerin mag, aber der Englischlehrer ist auch nett und ich stehe trotzdem auf einer drei in Englisch. So ist das Leben. Es könnte aber auch sein, dass nur ich denke, dass unser Englischlehrer nett ist und mich mag. Ich habe da mal so Leute reden hören, und das, was ich gehört habe war nichts Gutes …

Aber ich schweife ab. Eigentlich wollte ich anmerken, dass Marie überhaupt keine eingebildete Streberin ist. Sie ist vielleicht etwas kauzig und lässt manchmal irgendwelche unlogischen Chemiefragen fallen, aber sie ist lustig und total gut im Zuhören und Trösten. Außerdem behauptet sie standhaft, sie sei keine Streberin, sondern ein Nerd, was einen gigantischen Unterschied darstelle. Bis auf diesen einen Streitpunkt ist sie einfach eine gute Freundin. Ich muss echt mal lernen, weniger abzuschweifen.

Apropos, ich habe auch mal an einem Schreibwettbewerb teilgenommen… Okay, das war jetzt Absicht. Nach dieser kurzen Abschweif-Pause, weiter zum nächsten Fach. Wartet, lass mich auf meinen Stundenplan nachschauen. Wo habe ich ihn denn? Ah ja, ich habe ihn gestern Nacht in mein Physikheft gestopft. Zu meiner Verteidigung: Ich bin sehr ordentlich, aber eben nicht um zwei Uhr nachts. Und ich werde meine kleine Schwester ausnahmsweise nicht dafür verantwortlich machen. Bin ich nicht ein gnädiger Mensch?

Wow super! Mathe bedeutet eigentlich nur, dass ich in der letzten Reihe vor mich hindöse, ab und zu aufschrecke, wenn mein Lehrer mich etwas fragt, das er selber nicht weiß und am Ende die Hefteinträge von Marie abschreibt. Obwohl sie die selbst erfindet, weil sie meint, der Lehrer kriege nichts auf die Reihe. Wo ich ihr im Stillen rechtgeben muss. Unser Mathelehrer ist der Typ Mensch, der zwar ab und zu dumme Witze macht, den aber irgendwie trotzdem jeder mag. Dazu keine Fragen, bitte.

Nachdem diese Mathestunde also mit Hängen und Würgen überlebt ist, haben wir endlich (mit Betonung auf dem „endlich“) Pause. Das heißt, Marie wird uns mal wieder – wie immer – ihr Physiktalent beweisen, indem sie uns auf ganz einfache Fragen („Warum ist die Banane krumm?“) hochwissenschaftliche Antworten gibt, die ich bei vollster Konzentration nicht verstehen kann, während ich mir mein Pausenbrot genüsslich in den Mund schiebe. Selbst Google-Übersetzer schafft es nicht, dieses Physikgeschwafel ins Deutsche zu übersetzen, obwohl Marie dabei keine Aussprachefehler macht. Sie spricht komplett akzentfrei Physikalisch. Das ist natürlich auch nur eine ihrer vielen Muttersprachen, wie zum Beispiel Chemisch, Mathematisch oder einfach Deutsch. Das ist die einzige Sprache, bei der ich nicht so tun muss, als würde ich etwas verstehen. Dadurch, dass Marie so schnell zwischen ihren Muttersprachen wechselt – Deutsch natürlich ausgenommen – hört es sich insgesamt an, als hätte sie eine Geheimsprache erfunden, die kein Normalsterblicher decodieren kann. 

Ach ja, wo wir schon beim Thema sind: Ich kann „SOS“ morsen, meistens brauche ich zwar drei Anläufe, aber das muss ja keiner wissen. Ich glaube, ich sollte mal einen Therapeuten kontaktieren, nach eigener Diagnose leide ich unter akuter Abschweifitis. Die Freundin der angeheirateten Tante meiner Mutter ist Ergotherapeutin. Ich könnte sie mal fragen, was ein Termin so kostet. Das ist übrigens ihre Nummer: 01512… Ha, hab ich’s doch gewusst, ihr seid drauf reingefallen. Ein Fach, das nicht zu Maries Muttersprachen gehört, nein nicht Kunst, sondern – was für eine Überraschung:

Ein Fach, das nicht zu Maries Muttersprachen gehört, nein nicht Kunst, sondern – was für eine Überraschung – Englisch. Anscheinend auch nicht meine Muttersprache. Es ist das einzig Fach, in dem Marie und ich gleich gut sind, also ziemlich schlecht. Meine Drei im letzten Test war übrigens stark untertrieben, es ist eigentlich eine Fünf. Und diese Fünf ist auch der Grund dafür, dass Marie mich den Google-Übersetzer benutzen lässt, oder wie sie es ausdrücken würde: „Unerlaubterweise das mobile Endgerät verwenden, um sich im Unterricht einen Vorteil zu verschaffen.“ Glücklicherweise hatte uns unsere Lehrerin heute eine Stunde mit dem Tablet versprochen.

Aber weil unsere Lehrerin eine Lehrerin ist, durfte sie JA nicht vergessen, die Tablets zu vergessen. Warte, hat das überhaupt Sinn ergeben? Ich denke schon. Also mussten wir eine Doppelstunde lang ganz normales Englisch machen. Die letzten beiden Stunden hatten wir Sport. Mein Lieblingsfach nach Kunst. Und nein, nicht weil ich sportlich bin oder so, sondern weil ich es liebe auf der Bank zu liegen und so zu tun als hätte ich mein Sportzeug vergessen. Natürlich mit Marie Curry (JA, dieser Schreibfehler ist Absicht!).

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